Chamäleon

Rifugium Peccatorum

Suri und Micky

EOS II

La Felicita

Tavolo

Aragosta

Fragmenti

Eidechse

Lumache In Amore

Zeus der Eroberer

Donna Conchilglia (grau)

Frosch

Fiori Per Sempre

Capriole

Cameleonte (Marmor)

Dialogo

Morte (Tod)

Einzelausstellungen ab 1959 u.a.

Bruno Bruni’s Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen.

Amsterdam, Galerie Hustege

Berlin

Florenz, Galerie Fiamma Vigo

Rom, Galerie Il Torcoliere

Brüssel, Galerie Angele Aigu

Bogota, Galerie San Diego

Hamburg, Galerie Brockstedt

Frankfurt, Galerie Volker Huber

Köln

München, Galerie Ketterer

Stuttgart, Galerie Wendelin Niedlich

Stuttgart, Sparda Bank

New York, Galerie John Szoke

St. Petersburg, Museum in der Peter und Paul Festung

Urbino, Museo Palazzo Ducale

Tokio, Galerie Saibu und Galerie Isetan

Wiesbaden, Galerie ars mundi, Kursaal

Dallas, Galerie John Szoke

Madrid, Galerie Levy

Hannover, hannover gallery

Pesaro, Museo Palazzo Mosca

Peking, Art World Gallery

Hamburg, Galerie Levy mit Eduardo Arroyo

Eriwan, Nationalgalerie Eriwan

Tiflis Museum of Modern Art

Anmerkungen von Jürgen Schilling zum Werk Bruno Brunis – anlässlich seiner Retrospektive in der „Fabrik der Künste“, Hamburg 2012

Aufbauend auf vorangegangene Studien an der Scuola d’arte in Pesaro, fand Bruno Bruni nach seiner Übersiedlung nach Hamburg seit Beginn der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts schrittweise zu einer unverwechselbaren, mit frappanter Könnerschaft und Präzision artikulierten Bildsprache. An der dortigen Kunsthochschule zunächst angeleitet von Lehrern wie Georg Gresko, Paul Wunderlich und Renato Guttuso, und beeinflusst von der Kunst der großen Maler seines Heimatlandes, formal inspiriert von der ornamentalen Orgien der Fin de siècle- Malerei und den realistischen Strömungen der Vorkriegsmalerei, marginal auch von der zeitgleichen englischen Pop Art, entwickelte er die inhaltlich breite Skala seines Bildprogramms. Der Ursprung seiner divergierenden Sujets lässt sich durchgängig im individuellem Erleben von Alltagsmomenten, aber auch in der aufmerksamen Anteilnahme am Zeitgeschehen mit seinen sozialen und politischen Prozesse verorten. Bruni verarbeitet seine subjektiven Eindrücke auf eigenwillige Art, indem er seine Motive in unkonventionelle Zusammenhänge rückt und dadurch in Bereiche des Phantastischen Realismus, ja Surrealen vorstößt. Derart entstehen einerseits von augenfälliger, griffiger Sinnlichkeit erfüllte erotische Szenerien, welche vielfach variiert und doch auf immer neue Weise das ewige Thema der Liebe ansprechen. Andererseits sind da eindringliche von der jüngeren Geschichte inspirierte Zyklen: In einer Serie von Zeichnungen nach historischen Fotos von Opfern des Nationalsozialismus manifestiert sich über Brunis Mitempfinden angesichts des Geschicks der Ermordeten hinaus persönliches politisches Engagement; weitere lithographierte und gemalte Bildreihen behandeln Leben und Tod von Bruni verehrter kämpferischer historischer Gestalten wie Rosa Luxemburgi und Che Guevara. Unverbrämter Hohn, ja Empörung entladen sich indessen, wenn er auf Diego Velazquez‘ Abbild des Hofnarren Sebastián de Morra rekurriert und dessen zwergenhafter Gestalt die Physiognomie eines skandalumwitterten italienischen Ministerpräsidenten überstülpt.

Wiederholt setzt sich Bruni kritisch. hintergründig und ironisch mit dem verführerischen Mythos der italienischen Malavita bildnerisch auseinander, einem widersprüchlichen Milieu, von dem er sagt, dass er dieses System einer anonymen Parallelgesellschaft ebenso wenig verstehe wie die dagegen gerichteten halbherzigen Maßnahmen. Ob durch den vom Freiheits- zum Dominanzsymbol gewandelten Borsalino-Hut und hochgestellte Mantelkragen charakterisierte gesichtslose Mafiosi oder durch erfinderische stoffliche Drapierung eher ent- als verhüllte weibliche Idole – alle seine Protagonisten scheinen in schwer durchschaubares Tun verstrickt und bewegen sich mehrheitlich allein agierend innerhalb knapp beschriebener Kulissen. Dem Betrachter ist bewusst, dass er Zeuge eines Geschehens wird, welches Bruni lediglich anreißt, bzw. dass kurzfristig etwas Unbestimmtes vorfallen wird. Er führt die Beobachtung des Künstlers virtuell fort, fragt sich was im nächsten Moment geschehen könnte. Wie bei den Bildern Edward Hoppers scheint sich die Zeit unmerklich zu dehnen. Eine Fülle virtuos verknüpfter Teilinformationen, Symbole, die Beziehungssysteme und Machtstrukturen definieren, addieren sich zu einer vielschichtigen Einheit, deren kausale Zusammenhänge eher erspürt als rational begriffen sein wollen. Eben weil die Handlungen einer jeden Figur eher zweideutig als definitiv erscheinen, versucht der Betrachter so unweigerlich wie vergeblich, einen direkten logischen Bezug zwischen einzelnen gegenständlichen Bildabschnitten und abstrakten Formulierungen zu konstruieren, um schließlich zu begreifen, dass es sich um visualisierte Bruchstücke der individuellen Ideenwelt Brunis handelt, deren Interpretation eine subjektive bleiben muss. Nicht zuletzt im Enigmatischen der klassizistisch kühl-distanzierten Schilderung, welche begehrende Augen auf Distanz zu halten weiß, liegt der Reiz dieser originellen Bildfindungen begründet. Ergänzend zum Hauptmotiv ins Bild eingebrachte Attribute, akribisch gezeichnete Blüten, welkende Blätter an denen sich seine Phantasie entzündet, unscheinbare Gegenstände oder typische personenbezogene Requisiten, auch ein Arrangement feinnerviger ornamentaler Liniengefüge, fügen sich ebenso folgerichtig in Brunis System suggestiver Verrätselungen ein wie fragmentarisch eingeschleuste Reminiszenzen an die italienische Landschaft und wollen als metaphorische Symbole im Bild- Zusammenhang dekodiert sein.

Geradeso wie bei Brunis frühen radierten Bildnissen eine solidarische Empathie angesichts bedrängender sozialer Verhältnisse deutlich ablesbar ist, offenbart sich in späteren Werken hinter einer Fassade trügerischer Glücksversprechen – evoziert durch laszive Gestik und lockende Körperlichkeit elegant posierender Modelle – ein skeptischer Blick auf isoliert existierende und ihrer Zeit entfremdete Wesen. Hinter dem Schleier irrealer Harmonie, scheinbar glücklicher Gelöstheit und veritabler Schönheit lauern Melancholie, Resignation, Morbidität, Verletzlichkeit und Einsamkeit. Auf gleichzeitig entstandenen Darstellungen am Tisch in sich zusammengesunkener Mafia-Opfer überträgt Bruni diese Empfindungen ins Mysteriös-Pathetische. Während die Binnenflächen hier wie in seinen Stillleben exakt ausgearbeitet sind und jede über einen unsichtbaren Körper gleitende Mantelfalte ein Eigenleben führt, beschränkt sich Bruni bei seinen Akten darauf, die klaren Konturen der Leiber mit sicherer Hand festzulegen; nur sanfte, die Umrisse umschmeichelnde Schattierungen oder sparsame farbige Modulationen werden eingesetzt, um signifikante Partien zu akzentuieren. Formal reduzierte oder ausdrücklich ausgesparte Zonen und Fragmentierungen heben die Funktion des Liniengerüstes hervor. Dass im Besonderen seine kapriziösen, mit erstaunlicher handwerklicher Perfektion realisierten erotischen Darstellungen in Deutschland maßgeblich zum Erfolg Brunis beitrugen, mag einen Grund darin haben, dass unkonventionelle, zum Eintauchen stimulierende erotische Darstellungen von Rang in unserem Land kaum Tradition haben – und in einer Zeit des freizügig dargebotenen blanken Fleisches nach wie vor die Imagination ihrer Betrachter einzunehmen vermögen.

Bruno Bruni bemächtigt sich häufig eingeführter Bildfindungen bewunderter Vorgänger von van Eyck Botticelli, Michelangelo, Dürer über Bosch bis hin zu Oelze und entwickelt einen schöpferischen, anspielungsreichen Umgang mit diesen Quellen: Nachvollziehbar übernimmt er bestimmt Typen, Körperhaltungen oder Accessoires in seine Kompositionen. Essentieller erscheint der bewusste und stilbildende Rückgriff auf maßgebliche inhaltliche und formale Merkmale der Kunst des Manierismus, welcher weniger als Stil denn als zeitübergreifende, das die Regeln des Rationalen negierende Geisteshaltung begriffen sein will und dessen Einfluss auf nachfolgende Künstlergenerationen durch die Jahrhunderte bis heute wirkt. „Natürlich haben sich auch andere Kulturen […] vom weiblichen Körper anregen lassen, aber in keiner geschah das so systematisch, ja manisch. Die Allegorie, die Mythologie, die Geschichte, die Martyrien der Heiligen, alles“, schreibt Jaques Bousquet, „dient dem Manierismus als Vorwand, die Frauen zu entkleiden […] um immer wieder ein Thema zu behandeln: den Körper der Frau. […] so schwärmerisch dieser Kult scheinen mag – er ist frei von platonischen Regungen.“ii Nicht nur eine derart intensive Huldigung weiblicher Schönheit und der Liebe entspricht Bruni: Er ist mit den gestalterischen Prinzipien der kopfbestimmten Manieristen der ausgehenden Renaissance wohlvertraut und bedient sich ihrer Effekte: Sowohl in seiner Malerei wie in der Plastik taucht regelmäßig die dynamisch gewundene Spiralform der Figura Serpentinata auf, auch werden Gliedmaßen konsequent überlängt gestreckt, so dass sich die Verhältnisgrößen der Gesamtgestalt verschieben. Bei Parmigianino oder El Greco finden wir solche normaler Wahrnehmung ebenso wie dem antiken Kanon widersprechende optischen Verzerrungen, wie sie Dürer in seiner 1528 posthum erschienenen Proportionslehre vorschlug, dass nämlich die ideale Körpergröße neunmal die Länge des Kopfes haben solle, während die Durchschnittsgröße des europäischen Körpers bei siebeneinhalb liegt.iii Auch Brunis Neigung, kompakte Formen scheinbar willkürlich aufzubrechen, die Anhäufung beziehungsloser Objekte auf Stillleben, sein Spiel mit der Perspektive, und eine Materialversessenheit, von der seine sorgfältig patinierten Bronzen und ausgewählten Marmorsteine Zeugnis geben, mit denen er seine Bildideen ins Dreidimensionale transformiert, verweisen auf eine geistige Verwandtschaft zum Manierismus.

Der Bildhauer Bruni bedient sich seines inhaltlichen Repertoires und künstlerischen Instrumentariums mit dergleichen methodischen Präzision wie der Maler und wie bei den Gemälden scheint auch bei den Plastiken immer der Graphiker Bruni durch. In seiner Funktion vergleichbar mit dem monochrom-neutralen Hintergrund seiner Gemälde, welcher die zentrale Darstellung hinterfängt und einen beinahe plastischen Effekt bewirkt – die Bildfolge zum Freudschen Diwan bleibt bisher Ausnahme –, ist der seine Skulpturen umgebende leere Raum. Zeichenhaft ragen seine nach Zeichnungen in Plastilin vorbereiteten Figuren, wiederum vorwiegend über Akte, über einem schmalen Grundriss steil auf. Besondere Sorgfalt gilt der geradezu artistischen Behandlung des Faltenwurfes der ihre Köpfe kaschierender Gewandstücken, bzw. den faltigen Laken aus weißem Marmor, welche nicht nur fließende Formen gestreckter Glieder umschließen und die Eindeutigkeit des Leiblichen betonen, sondern Volumenkontraste und abstrakte Bewegungsabläufe beschreiben – ähnlich den gemalten über Betten und Diwane ausgebreiteten zerknitterten Stoffen mit ihren Benutzungsspuren. Immer zielt die plastische Intention auf die Sensibilisierung unseres Wahrnehmungsvermögens angesichts erstarrter, imaginärer Vitalität.

Die Beschäftigung mit minutiös aquarellierten Stillleben – auch die Manieristen interessierten sich „brennend für jede naturgeschichtliche Einzelheit“iv – inspiriert Bruni bei der Gestaltung seines jüngstes plastischen Werkes, eines funktional nutzbaren Tisches. Aus einer großflächigen Platte aus Carrara-Marmor, auf deren oberen abgeschliffenen Schicht deutlich zahlreiche Fossilien-Einschlüsse sichtbar sind, wurden nach Vorgabe des Künstlers Vogel- und Schmetterlingsformen ausgefräst; in die so entstandenen Hohlräume fügte man bündig gleichgroße, nach Brunis aquarellierten Entwürfen passgenau geformte Intarsien mit seinen Tier- Motiven, sodass der Eindruck entsteht, dass diese neben organischen Gebilden wie Muschelgehäusen und Innenskeletten von Tintenfischen ebenfalls Bestandteil des vor Jahrtausenden geformten Steines seien. Hier hat Bruni, der erzählerische Künstler, ein eo ipso eloquenten Medium entdeckt, welches ihm beim Transport seiner authentischen, mit emotionaler Kraft präsentierten Botschaft von Schönheit und Ästhetik hilfreich sein wird. Kunst sei immer schön, behauptet Bruni, „ob sie schön sein kann, wenn sie nicht gut ist? Ich weiß es nicht. Aber wenn sie gut ist, ist sie natürlich auch schön.“
Autor: Jürgen Schilling